Albrecht Mendelssohn Bartholdy
Der AufklärerVater: Carl Mendelssohn Bartholdy
Mutter: Mathilde von Merkl
Geschwister: Cécile Mendelssohn Bartholdy
Der literarisch und musikalisch vielseitig begabte Enkel des Komponisten Mendelssohn Bartholdy wächst unter starken Frauen auf. Sein Leipziger Jura-Professor, Doktorvater und Mentor Adolph Wach, der mit einer Tante Albrechts, der Felix-Tochter Marie, verheiratet ist, wird zugleich sein Ersatz- und Schwiegervater.
Als Jura-Student veröffentlicht Albrecht, der für seine Lyrik den Fichte-Preis erhält, den Gedichtband „Schmetterlinge“. Er schreibt Libretti, komponiert Lieder, gründet als Professor in Würzburg die Jenaer Max-Reger-Festspiele. Während des Ersten Weltkriegs schließt er sich einer pazifistischen Initiative prominenter Akademiker an. Im vorletzten Kriegsjahr 1917 beschreibt er in einer Vortragsreihe über „Bürgertugenden in Krieg und Frieden“ die „Beständigkeit“: Man müsse denen, „die nach uns in die Stadt kommen, die wahren Reichtümer der Gemeinde überliefern, und das nicht als ein totes Gut, als eine Erbschaft von hundert oder tausend Millionen, die sie nur zu versteuern und auf der altbewährten langen Bank liegen zu lassen brauchten, sondern so überliefern, daß sie verstehen, was da auf sie kommt, als ein Teil ihres Selbst. … Unter meinen Vorfahren ist eine lange Reihe jüdischer Rabbiner bis ins Mittelalter hinauf, unter ihnen ist eine ebenso lange Reihe von Pfarrern und Vorstehern und Glaubensmärtyrern der französisch-reformierten Gemeinde bis unter das Edikt von Nantes, unter ihnen sind deutsch-evangelische Pfarrer aus der Reformationszeit und als vierte großelterliche Reihe gute katholische Österreicher. So wird es vielen von uns gehen. Und doch sage ich auch für uns Zusammengewürfelte, daß uns der Glaube der Väter den Grund zum Leben in unserer Seele legen muß, wenn wir gute Bürger dieser Welt und unserer Heimat werden sollen.“
Bei den Waffenstillstandsverhandlungen in Versailles gehört Professor Mendelssohn Bartholdy zu einer Akademiker-Gruppe in der begleitenden deutschen Gutachter-Delegation. Die Beratungen, bei denen die Deutschen fürchten, belauscht zu werden, soll er zur akustischen Abschirmung als Pianist mit seinem hervorragenden Klavierspiel begleitet haben.
In den ersten Jahren der Weimarer Republik ediert der Jurist mit dem prominenten Namen, beauftragt durch die Reichsregierung, Akten zur deutschen Außenpolitik vor 1914 – und erkennt beschämt, dass die gewünschte Widerlegung einer deutschen Kriegsschuld so gar nicht möglich ist. Mit seiner Zeitschrift „Europäische Gespräche“ und durch die Gründung des von der Warburg-Familie unterstützten Hamburger Instituts für Auswärtige Politik will er den ungelernten deutschen Demokraten die Staatenfamilie und ein internationales Rechtsverständnis nahebringen. Einige seiner Instituts-Mitarbeiter werden später im Widerstand gegen das „Dritte Reich“ ihr Leben riskieren. Albrecht ist Ordinarius für Auslandsrecht an der neu gegründeten Universität der Hansestadt und motiviert die Deutschen zur Offenheit für politische Westbindung: durch seine Gründung der Hamburger Amerika-Bibliothek sowie einer Gesellschaft der Freunde der Vereinigten Staaten und der Zeitschrift Hamburg-Amerika-Post. Er vertritt Deutschland beim Völkerbund und am Haager Gerichtshof.
Die Kreativität des Hobby-Komponisten Albrecht wird auch beeinflusst von intensiven Beziehungen mit unerreichbaren Musen-Gestalten: Seiner Schwägerin Marie „Mirzl“ Wach (1877 – 1964), mit der ihn vor und nach seiner Hochzeit eine innige Freundschaft verbindet, widmet er ebenso hingebungsvolle Liedkompositionen wie im letzten Lebensabschnitt seiner langjährigen Assistentin Magdalena Schoch, der ersten habilitierten Juristin Deutschlands; in deren Nachlass, nicht weit von Washington D.C., wurde vor wenigen Jahren ein Konvolut von 70 Liedern ihres ehemaligen Chefs gefunden.
Verheiratet ist Albrecht seit 1905 mit seiner Cousine Dora Wach (1875 –1949); zwei Mädchen, durch den Krieg zu Waisen geworden, hat das Paar dann adoptiert. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird Mendelssohn Bartholdy aufgrund seiner „nichtarischen“ Abstammung von seinem Lehrstuhl, aus seinem Institut gedrängt. Seine gefährliche Flucht, die Familie folgt später, führt 1934 über die Schweiz nach England. Gerettet werden auf diesem Weg auch die „Green Books“, das siebenundzwanzigbändige Briefkonvolut seines Großvaters Felix. In Oxford, wo er einen Lehrauftrag erhält, leidet der Emigrant unter der englischen Beschwichtigungs-Politik gegenüber Hitler und hofft auf einen Tyrannenmord in Deutschland. Er stirbt an Magenkrebs; postum erscheint sein politisches Testament „The War and German Society“. Der kaum zu entziffernde Grabstein dieses Pioniers der deutschen Friedensforschung steht auf dem Dorffriedhof von Clifton Hampden, hoch über der Themse. In Hamburg ist seit 2012 ein rechtswissenschaftliches Doktorandenkolleg und ein Studentenwohnheim nach ihm benannt.